Frankenberg feiert 2015 das Heiner-Müller-Jahr. Der Kunst- und Kulturverein Frankenberg hatte dazu Vereine und Institutionen zusammengerufen, um in einem Festjahr diesen großen deutschen Dramatiker zu ehren. Denn Müller lebte von 1947–1951 in Frankenberg. Um mehr über diese Zeit zu erfahren, wollen wir einzelne Ereignisse in einer Artikelserie näher beleuchten. Heute hatten wir Bernard Umbrecht zu Gast.
Vor einigen Wochen erreichte unseren Verein ein Telefonat aus Frankreich von Bernard Umbrecht. Der bekannte Heiner-Müller-Forscher kündigte an, für eine Veröffentlichung auf den sächsischen Spuren des Dramatikers wandeln zu wollen, und plane dabei auch einen Aufenthalt in Frankenberg. Zusammen mit seiner Frau kam er heute in unserer Stadt an und wollte dabei vieles über die hiesige Nachkriegsgeschichte wissen und anschauen. Auf dem Programm standen Stadtarchiv, Stadtbibliothek, das Wohnhaus Müllers in der Freiburger Straße 14 und auch das ehemalige KZ Sachsenburg, bevor er nach Eppendorf weiterfuhr.
Vor allem Müllers Vater, Kurt Müller, gab ihm einige Rätsel auf, die sich als spannende Regionalgeschichte entpuppten: „Eigentlich stammten die Müllers ja aus Eppendorf“, sagt er. Wegen seiner Mitgliedschaft in der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) war Kurt Müller 1935 unter den Nationalsozialisten im KZ Sachsenburg inhaftiert, wo später gar als Sekretär des KZ-Kommandaten eingeteilt war. „Jeden Morgen kam ein Militärauto und holte ihn ab“. Nach seiner Entlassung durfte er aber nicht mehr nach Eppendorf zurück. Also zog die Familie nach Bräunsdorf, wo die Großeltern wohnten.“, so Umbrecht. „Über Kurt Müllers Vor- und Nachkriegszeit gibt es noch einigen Forschungsbedarf. Es wäre schön, wenn dieses spannende Kapitel Frankenberger Geschichte künftig noch genauer untersucht werden würde.“
Nach dem Krieg wurde Kurt Müller sogar Bürgermeister von Frankenberg, wo er in den Umbruchjahren Enteignungen zu verhindern versuchte, was ihm später die Kritik seines übereifrigen Sohnes Heiner einbrachte, nicht hart und kämpferisch genug gewesen zu sein. Dabei war der spätere Dichter selbst immer eher zögerlich und zurückhaltend gewesen. Der gefürchteten Abkommandierung zur Wismut konnte er beispielsweise entgehen, indem ihn sein Vater als „Bücherkind“ einen Posten in der Frankenberger Stadtbibliothek verschaffte. In unserer Stadt machte er Abitur und hatte auch einen Lehrer, der sein Talent entdeckt und gefördert hatte. Sogar ein Theaterstück konnte er hier inszenieren bevor er später in Berlin zu einem der größten deutschen Dramatiker aufstieg.
Umbrecht kannte Heiner Müller persönlich, denn ab 1975 war er für die Zeitung L’Humanité in der DDR als Auslandskorrespondent tätig. Die Liste seiner Gesprächspartner ist lang und reicht von Stephan Hermlin bis Christa Wolf. Heiner Müller liegt ihm aber besonders am Herzen: „Er hat mir geholfen, kritisch zu sein, ohne umzukippen“, sagt Umbrecht rückblickend. 1989 verbrachten er und seine Frau zusammen mit Müller den Silvesterabend in jenem schicksalhaftem Wendejahr.
Bernard Umbrecht schreibt für die Seite Le SauteRhin aktuelle Erkenntnisse zu Heiner Müller und u.a. für die Monatszeitung Le Monde diplomatique.
Text und Foto: Patrick Müller
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