Gestern war es endlich soweit. Heiner-Müller-Biograf Dr. Jan-Christoph Hauschild kam nach Frankenberg angereist, um die vom Kunst- und Kulturverein in Zusammenarbeit mit Stadtarchiv und -Bibliothek gestaltete Ausstellung zu Leben und Werk Heiner Müllers zu eröffnen. In seinem Vortrag beschrieb Hauschild besonders ausführlich Müllers Zeit in Frankenberg während 1948–51. Dass der Vater, der nach dem Krieg Bürgermeister wurde und Enteignungen zu verhindern suchte, vor 1935 im KZ Sachsenburg interniert war; oder Studienrat Ackermann, der das Talent des Dichters entdeckte, an ihn glaubte und ihn forderte. Der gefürchteten Abkommandierung zur Wismut kann er entgehen, in dem er als „Bücherkind“ in der Frankenberger Stadtbibliothek arbeitet. „Ab 1954 ist Müller regelmäßiger Mitarbeiter des Sonntag. Er bevorzugt hohe schrille Töne, ist besserwisserisch und arrogant weil er journalistische Zwangsarbeit leisten muss“, so Hauschild. „Wenn über Jahre keiner was von dir nimmt, das hältst du nur durch, wenn du dich für den Größten hältst“ zitiert er den Dichter. Nach den ersten Preisen wurde dann seine Komödie Die Umsiedlerin zu einer der größten parteipolitischen Katastrophen der DDR. Autor und Regisseur stehen vor der Verhaftung, die aber in ein zeitweiliges Berufsverbot umgewandelt wird. Müller Sicht ist im eigenen Land nicht erwünscht. Im Westen nimmt man seit den Sechzigern wie Schmuggelware an. Man spielt ihn, weil er im Osten unterdrückt wird. 1977–82 wird er Dramaturg an der Volksbühne, Müllers erfolgreichste Jahre und Basis für seinen Weltruhm. Bis zuletzt bleibt er der DDR ein loyaler Dissident und hofft auf Reformen. „Protest findet nur in seinen Stücken statt. Der Zerfall des Ostblocks ist für ihn die Tragödie des Jahrhunderts. Seine Texte beschreiben das Scheitern der Hoffnung auf eine sozialistische Alternative.“ so Hauschild. In der Bundesrepublik ist er ein begehrter Gesprächspartner, man kennt ihn mit Zigarre. „Wer raucht, sieht kaltblütig aus“, so Müller. 1995 stirbt er, seine Beisetzung wird in Berlin ein Mediengroßereignis.
Nach dem fesselnden Vortrag konnte man danach die Ausstellung erkunden, die ebenfalls von Christoph Hauschild gestaltet war und bereits bei zahlreichen Gelegenheiten im In- und Ausland präsentiert wurde. Viele Illustrationen lockern den Text auf, etwa ein Originalspielplan von Müllers Theatergruppe in Frankenberg.
Bei Sekt und Canapées kamen die Besucher der Vernissage dann miteinander ins Gespräch, einige ließen sich von Müllers Biograph auch Bücher signieren. Sogar ein Ehepaar aus Müllers Geburtsort Eppendorf war angereist, um der Vernissage beizuwohnen. Ein beglückender Abend, nach dem die zahlreichen Gäste anschließend mit vielen neuen Ideen beschwingt nach Hause gingen.
Wer die Eröffnung verpasst hat, kann sich die Ausstellung noch eine Woche lang anschauen. Die Öffnungszeiten sind: Dienstag und Donnerstag von 9–12 Uhr und 13–15 Uhr. Terminabsprachen sind unter der Tel. 037206-64282 möglich.
Wer mehr über Heiner Müller und Frankenberg erfahren möchte, dem empfehlen wir unsere gleichnamige Artikelserie:
#1 „Bücherkind“ – Heiner Müller und die Frankenberger Stadtbibliothek
#2 Das ganze Dorf ist eine Bühne: Heiner Müller in Dittersbach
Text und Fotos: Patrick Müller