Gleich zu Beginn dieses letzten Türchens am Lebendigen Adventskalender klang frisch und lebensfroh Marc-Antoine Charpentiers Hauptthema aus dem Präludium des Te Deum aus der Orgel, die manchen auch als Eurovisionshymne bekannt sein dürfte. Bei Eurovision übertragen ja bekanntermaßen mehrere europäische Länder ein Fernsehereignis live. Diese Orgelmusik war gewissermaßen Ansage, denn auch Weihnachten feiern die Christen aller Länder zur gleichen Zeit. Weihnachten, die Ankunft des Friedensfürsten, wie die alten Texte sagen. Ein solcher Friedensbringer wäre heute angesichts derzeit über 200 Kriege weltweit und boomenden Waffenexporten in Deutschland bitter nötig. Da diese haltbaren Waffen aber auch irgendwann angewendet werden und selten über Jahrzehnte in den richtigen Händen bleiben, fliehen Menschen vor kriegerischen Handlungen vor ihrer eigenen Haustüre. Pfarrer Jörg Hänel ging in der abwechslungsreichen Christvesper auf die biblische Weihnachtsgeschichte ein und schlug einen Bogen zu unserer Zeit. Denn auch die Christusfamilie vor 2000 Jahren war auf der Flucht. Ausgrenzung habe es schon damals gegeben, als es für diese Familie hieß: Denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Dass sie trotzdem in einem Stall ihr Kind zur Welt bringen konnte, wird heute weltweit an Weihnachten gefeiert: die Hoffnung kam in die Welt.
Neben deutschen Weihnachtsliedern wie Macht hoch die Tür, die Tor macht weit waren auch ganz international immer wieder Gospelklänge zu hören, etwa Mary had a Baby: eine Botschaft, die geografische Grenzen überwindet. Die Weihnachtsgeschichte ist also kein Märchen, wie das heute oft dargestellt wird. Sie sagt uns etwas aus über unser Handeln und Menschsein, von dem wir heute noch lernen können. „Wer hat heute Platz bei uns?“, fragte Pfarrer Jörg Hänel und erzählte von einer ausländischen Großfamilie in Frankenberg, die in diesem Jahr durch Presse und Hörensagen vorverurteilt wurde, ohne dass dies anschließend genauso deutlich richtiggestellt worden wäre, was zum Verlust der Arbeitsplätze führte. Im nächsten Jahr kommen auch Asylbewerber nach Frankenberg. „Es ist wichtig, sich am Anfang bei einer Bürgerfragestunde, die der Landkreis ausrichtet, Fragen zu besprechen, Unklarheiten zu klären, Ängste zu diskutieren, bevor diese Menschen zu uns kommen. Damit wir nicht immer mit Halbwissen und Vorurteilen versuchen, uns ein Bild zu machen, was überhaupt nicht stimmt.“, mahnte er. Der Terror des IS sei grausam und verabscheuungswürdig, aber im Balkankrieg gab es ebenso furchtbare Schilderungen, die von Bewohnern des Abendlandes verübt wurden. „Ist es denn wirklich sinnvoll, diese Ost-West-Grenze, Morgenland-Abendland zu ziehen und sind die Probleme richtig erkannt?“ fragte Hänel und ging damit auf die aktuellen Dresdner Demonstrationen ein, wo der Islam für sozialen Abstieg und andere Probleme in Sachsen verantwortlich gemacht wird. „Ist es wirklich das Problem, dass Andere etwas Anderes Glauben? Oder könnte es auch ein Problem sein, dass wir nichts mehr glauben?“ Dass Weihnachtsmärkte in manchen Gegenden nicht mehr Weihnachtsmärkte sondern Wintermärkte hießen und dass in manchen Familien nicht mehr das Christkind sondern der Weihnachtsmann komme, sei nichts, was uns der Islam gebracht hätte, sondern unsere eigene Entscheidung, als wir das fundament christlichen Glaubens verlassen hätten. „Und dann verstört es uns, wenn wir Menschen sehen, die einen eigenen Glauben haben der ihnen mehr bedeutet als sie selbst? Gibt es nicht auch für uns ein Fundament?“ Die Weihnachtsgeschichte gebe mit den Hirten ein Beispiel. „Sie werden bei der Nachtschicht von der guten Nachricht der Engel überrascht“. Sie stünden für diejenigen Menschen, deren Leben ziemlich geregelt verläuft und die sich bei bestem Willen nicht vorstellen können, dass sich daran noch etwas ändert. Dass man ein Teil von etwas Weltbewegenden werden können war für sie undenkbar. Der Bibeltext sagt: Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Auch so könnte man heute erwähnen, dass es nur 0,4 % Moslems in Dresden gibt, aber das nütze wenig. Es gebe also nicht viel mehr zu sagen, als dass was der Engel sagt: Fürchtet euch nicht! habt kleine Angst. Eine Aufforderung, um der großen Angst eine große Freude gegenüberzustellen, die allen widerfahren wird. Gott werde menschlich in einem Kind in der Krippe als ein Zeichen dieser Freude. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden, so der Bibeltext. Das „und“ sei dabei besonders wichtig. Schließlich resümiert Hänel: „Das ist viel besser als ein Märchen. Ob es aber ein Märchen bleibt, oder Wirklichkeit wird, das liegt an und, wie wir diese Botschaft aufnehmen, und welche Rolle sie noch nach den Feiertagen in unserem Leben spielt.“ Das letzte, schöne Adventskalendertürchen hat uns erinnert, dass der Advent nichts Fernes ist, sondern immer auch mit unserem Leben zusammenhängt. Dafür bedanken wir uns recht herzlich und wünschen frohe Weihnachten!
Text & Fotos: P. Müller.
Schreibe einen Kommentar